Die Langsamkeit des Zeichnens
gegen die schnelle Überflutung durch Fotos auf Facebook, Instagram und Co.
zur Serie polymorph
In dieser Serie – wie auch in weiteren Serien – trete ich in ein Spannungsfeld zwischen meinem „inneren“ –
also persönlichen – Beweggrund und der „technischen“ Umsetzung.
Das Konzept der Serie entstand nach einer Armenienreise. Ich suchte nach einer Ausdrucksform,
um Erinnerungen und Eindrücke umzusetzen. Meine Wahl fiel auf den Granatapfel, der in
Armenien – ähnlich wie in Deutschland der Apfel – ein Symbol für Fruchtbarkeit ist.
Seither beobachte ich den Fäulnisprozess verschiedener Früchte und Gemüsearten.
Fäulnis und Zerfall, fixiert in einem Foto, also in einer Momentaufnahme. Mit
der Kamera zoome ich sehr nah ans Objekt heran. Das entstandene Foto erobere
ich mir zurück und transformiere es in einem langsamen Prozess des Zeichnens,
der wiederum zu einer Abstraktion führt: Die Vergrößerung des Inneren der Frucht
offenbart eine Ähnlichkeit mit der Fleischlichkeit und Vergänglichkeit lebender Organismen
und menschlicher Körper.
Ist es Mensch oder Pflanze, flüssig oder trocken, Kerngehäuse oder Geschlechtsteil?
Oft können BetrachterInnen nicht unterscheiden, ob das Sujet ein Körperinneres
darstellt (z.B. Lungengewebe) oder eine Frucht. Manche der Zeichnungen spielen
mit erotischen Assoziationen.
Das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses regt zum Nachdenken über Zeit und
Vergänglichkeit an.
Als Konzept-Zeichnung ist die Serie Polymorph unendlich fortsetzbar mit dem oben
beschriebenen Prinzip: Motive sind u.a. Äpfel, Birnen, Kürbis, Pflaumen.
Zum Medium Papier und Farbstifte:
Ich zeichne mit Farbstiften; so ist es möglich, bis zu sechs Farbschichten aufzutragen,
womit eine Tiefenwirkung und Brillanz erzeugt wird. Mehrere Farbschichten entsprechen
den Zeitschichten in einem Bild, der Prozess des Zeichnens mit dieser Technik ist sehr
zeitintensiv und dauert viel länger als der Zerfallsprozess der Früchte.
Mit Hilfe der „trockenen“ Farbstifte lässt sich allenfalls illusorisch die Feuchtigkeit des
Fäulnisprozesses darstellen. Diese Darstellungsweise führt somit zu einer Abstraktion und
Versachlichung.
Werden und Vergehen zeigen sich in ein und demselben Moment, im Spiel der Farben.
Dieser festgehaltene Moment ist wie ein Prisma, in dem mehrere Zeitsch ichten
offengelegt werden.
Das so entstehende Stilleben, ein Moment der Fäulnis, aktiviert Phantasien zu drei
Zeitschichten:
Wie sah das jeweilige Objekt „vorher“ aus? (das frische Lebensmittel)
Wie sieht es in der Gegenwart aus? (die überraschende Schönheit des Verfaulens)
Wie sieht es in Zukunft aus? (nichts wird übrig bleiben, oder ruht in den Kernen
der Keim für eine neue Frucht?)
Weitere Serien entstehen laufend:
Heimkehr, geträumt
Blüten
Szenen
Rückspiegel